SLUB Dresden und UB Leipzig starten Forschungsprojekt zur historisch bedeutenden Klosterbibliothek St. Marienthal
Pressemitteilung vom 8. Dezember 2025
Dank einer Projektförderung der Carl Friedrich von Siemens Stiftung können die beiden großen wissenschaftlichen Bibliotheken im Freistaat, die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB Dresden) und die Universitätsbibliothek Leipzig (UB Leipzig), nun die historische Klosterbibliothek der Zisterzienserinnenabtei St. Marienthal weiter wissenschaftlich erforschen. Es handelt sich dabei um eine über Jahrhunderte gewachsene Sammlung von einzigartigem kultur- und landesgeschichtlichen Rang. Sie enthält Spitzenstücke wie den reich illuminierten Marienthaler Psalter und das sogenannte Kapiteloffiziumsbuch von Altzelle, eine der wichtigsten Handschriften des bedeutendsten sächsischen Zisterzienserklosters. Ende 2023 war es dem Freistaat Sachsen mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung gelungen, die historische Klosterbibliothek zu erwerben und damit national wertvolles Kulturgut als Einheit für die Öffentlichkeit zu erhalten.
Dank der Förderung des zweijährigen Projekts Die Klosterbibliothek von St. Marienthal als Kosmos von Netzwerken und Beziehungen durch die Carl Friedrich von Siemens Stiftung rekonstruieren SLUB Dresden und UB Leipzig anhand des historischen Buchbestands die Geschichte des Klosters und das sich über Jahrhunderte entwickelnde Beziehungsgeflecht, von dem das Kloster getragen und geprägt wurde. Damit wird erstmals eine historische Bibliothek in ihrer Gesamtheit vom mittelalterlichen Manuskriptzeitalter bis in die Neuzeit als materielles Zeugnis für historische Entwicklungen untersucht.
Katrin Stump, Generaldirektorin der SLUB Dresden, freut sich über die Projektförderung: „Mit der vertieften Erschließung der Klosterbibliothek eröffnen wir der Wissenschaft Zugang zu Forschungsdaten, die gerade die selten belegten weiblichen Akteurinnen der Landesgeschichte beleuchten. Ihren Spuren gehen wir in detaillierten Recherchen nach und stellen die Ergebnisse offen und nachhaltig zur Verfügung. Gleich zu Beginn wird die SLUB in einer Ausstellung zeigen, welches Forschungspotential in der geschlossen erhaltenen historischen Bibliothek bislang verborgen war.“
Dr. Anne Lipp, Direktorin der UB Leipzig, würdigt das wissenschaftliche Potential des Projekts für Sachsen: „Die Experten unseres Handschriftenzentrums können mit dem neuen Projekt einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Landesgeschichte im Mittelalter leisten und viele Vorarbeiten zu einem Gesamtbild zusammenführen. Durch das Projekt werden wir eine genauere Vorstellung davon haben, wie der Zisterzienserorden im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert neue Kultur- und Wissensräume in Sachsen aufbaute und wie Bücher und buchbezogene Fertigkeiten zwischen den Klöstern wanderten.“
Isabel Pfeiffer-Poensgen, Vorstandsvorsitzende der Carl Friedrich von Siemens Stiftung: „Mit der Klosterbibliothek St. Marienthal bietet sich eine einzigartige und faszinierende Möglichkeit, eine Bibliothek nicht allein als Wissensspeicher zu verstehen, sondern als lebendiges Beziehungsgeflecht: Die Herkunfts- und Wirkungsgeschichten der Bibliotheksbestände führen von den Eigenheiten eines zisterziensischen Frauenklosters zu übergreifenden geistesgeschichtlichen Zusammenhängen und vom Mittelalter in die Moderne. Die Carl Friedrich von Siemens Stiftung unterstützt daher gerne die Erforschung der Klosterbibliothek St. Marienthal durch die SLUB Dresden und die UB Leipzig.“
SLUB Dresden und UB Leipzig werden bei dem Projekt eng mit der Forschungsstelle für vergleichende Ordensgeschichte der Technischen Universität Dresden kooperieren. Dort wird seit November 2024 mit Förderung des Freistaats ein flankierendes Projekt zur Aufarbeitung der zisterziensischen Netzwerke anhand von Archivmaterialien und ordensinternen Dokumenten durchgeführt. Die gleichzeitige Erforschung von Buch- und Archivbeständen ist ein Novum: Erstmals wird die Geschichte von Klöstern in Deutschland in so umfassender Perspektive beleuchtet.
Kultur und Netzwerke der Zisterzienserklöster in Sachsen über sechs Jahrhunderte
Das an der SLUB Dresden angesiedelte Teilprojekt widmet sich dem gedruckten Buchbestand des 16. bis 18. Jahrhunderts. An Schenkungsvermerken und anderen Spuren sind die persönlichen und institutionellen Beziehungen ablesbar, über die Literatur in das Kloster von St. Marienthal gelangte. Mit seinen ca. 2.700 Titeln bildet der historisch gewachsene Druckbestand in St. Marienthal hervorragende Bedingungen, um die Netzwerke der Schwestern über drei Jahrhunderte hin zu verfolgen. Damit leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zur bisher kaum erforschten Kultur der Frauenklöster in Sachsen.
Das Teilprojekt der UB Leipzig untersucht die Hinweise auf Beziehungen innerhalb des Zisterzienserordens und zu anderen Stellen, die sich aus dem mittelalterlichen Buchbestand ergeben. Erforscht wird, wie genau die Marienthaler Handschriften mit dem hochmittelalterlichen Schreibbetrieb in Altzelle und der dortigen Bibliotheksgeschichte der folgenden Jahrhunderte zusammenhängen, welche Verbindungen es zu den Handschriften des Zisterzienserklosters Buch bei Leisnig gibt und welche Berührungen zur Bibliothek des zweiten Zisterzienserinnenklosters auf sächsischem Boden, der Abtei von St. Marienstern bei Kamenz, bestehen. Auch die Beziehungen zu weiteren Klöstern in Ostsachsen und Böhmen werden in den Blick genommen.
Ausstellung zur Klosterbibliothek im Buchmuseum der SLUB Dresden
Für die breite Öffentlichkeit wird die beginnende Erforschung der Klosterbibliothek von St. Marienthal bereits ab 29. Januar 2025 erlebbar sein: Dann hat im Buchmuseum der SLUB Dresden die Ausstellung „Der verschlossene Garten. Zugänge zur Klosterbibliothek der Zisterzienserinnen von St. Marienthal“ eröffnet, die einen Blick in den Buchbesitz des seit fast 800 Jahren bestehenden Klosters und seine Geschichte gewährt. Die Ausstellung erschließt dem Publikum eine Bücherwelt, die sich ansonsten in der Klausur des Klosters befindet. Unter anderem werden erstmals sämtliche mittelalterliche Handschriften zu sehen sein, darunter der Marienthaler Psalter und das Altzeller Kapiteloffiziumsbuch.
Hintergrund
Das an der Neiße gelegene Kloster St. Marienthal wurde 1234 erstmals urkundlich erwähnt und ist das älteste noch bestehende Kloster des weiblichen Zweiges des Zisterzienser-Ordens in Deutschland. Seine historische Bibliothek ist für die Wissenschaft von außerordentlichem Wert, handelt es sich doch um eine geschlossene, seit dem Spätmittelalter gewachsene Sammlung klösterlicher Bildungskultur und herausragender historischer Quellen für die Forschung. Die historische Klosterbibliothek umfasst ca. 2.700 Titel aus dem 12. bis 19. Jahrhundert, darunter mittelalterliche Handschriften, Inkunabeln, Alte Drucke sowie historische Urkunden, die mit dem Ankauf durch den Freistaat Sachsen Ende 2023 in das Eigentum der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden übergegangen sind, wobei ein großer Teil der Druckwerke als Leihgaben im barocken Bibliothekssaal des Klosters verblieben sind.
- Detaillierte Informationen zur Klosterbibliothek finden Sie auch in der Pressemitteilung zum Ankauf vom 6.12.2023: www.slubdd.de/marienthal
- Die Klosterbibliothek in den Digitalen Sammlungen der SLUB: https://sachsen.digital/sammlungen/bestaende-der-zisterzienserinnenabtei-st-marienthal
Pressebilder zur freien Verwendung
Bilder & Download in hoher Auflösung unter www.slubdd.de/bildermarienthal