Zum Untermenü Springen Sie zum Katalogsuchfeld Springen Sie zum Website-Suchfeld Springen Sie zur Seite mit Informationen zur Barrierearmut Springen Sie zum Inhalt
Seitenleiste öffnen/schließen

Die Völkerschlacht wird zum Denkmal. Zeugnisse von 1913

Anlässlich des diesjährigen Doppeljubiläums zur Völkerschlacht und dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig zeigt die UBL aus ihrem Bestand Zeugnisse aus der Zeit von 1913.

Den thematischen Rahmen für die Ausstellung geben Seiten aus einem Sonderdruck der Leipziger Neuesten Nachrichten vom 18. Oktober 1913 vor. Die einzelnen Stücke repräsentieren die Erinnerung an die Völkerschlacht, die Entstehung des Denkmals und die Denkmalweihe.

Die ausgestellten Stücke stellen keinen expliziten Bestand dar, sondern sind Teile von Sammlungen und Nachlässen im Haus. Auf einen begleitenden Text wurde in der Ausstellung verzichtet. Sie finden im Anschluss nähere Ausführungen zum Thema. In Aussagen und Beschreibungen von Zeitgenossen klingt hier auch an, dass sowohl die Erinnerung an die Völkerschlacht als auch der Bau und das Vorhandensein eines Monumentes kolossalen Ausmaßes immer mit kritischen Stimmen einhergeht. Eine Kurzform des Textes finden Sie auf dem Faltblatt zur Ausstellung. Alle Dokumente sind in der UBL und teilweise auch online einsehbar, die Links dazu können Sie im folgenden Dokument anklicken.

Die Ausstellung ist bis zum 10. November 2013 täglich von 10–18 Uhr geöffnet.

Der Eintritt ist frei.

Themen der Ausstellung

Erinnerung an die Völkerschlacht

„Nachdem die verbundenen Mächte im Jahre 1814 den Rhein überschritten und den Feind Deutschlands zum Frieden von Paris genöthigt hatten, und nun unter freudigen Erwartungen den Jahrestag der großen Völkerschlacht und der Tag der Errettung Leipzigs herannahte, entschlossen sich mehrere angesehene Bürger Leipzigs, ergriffen von den Empfindungen, die freilich die Jetztzeit nicht begreift oder begreifen will, diesen wichtigen Tag durch ein Fest zu feiern, an welchem Männer aus allen Ständen, die sich im Dank gegen die schützende Vorsehung jenes Ereignisses erinnerten, Antheil nehmen könnten.“[1]

Robert Naumann, Direktor der Stadtbibliothek, 1863

Im Jahr 1814 gründete sich der Verein zur Feier des 19. October (1814–1908), um an die Völkerschlacht zu erinnern. Jährlich wurden eine kirchliche Feier und ein Festmahl abgehalten, dessen Gäste anfänglich u.a. Mitglieder russischer als auch Leipziger Behörden, Beamte, Geistliche und Handwerksmeister, später dann hiesige Professoren, Kaufleute und Buchhändler waren. Der Verleger Wilhelm Ambrosius Barth (1790-1851) belebte, das seit 1827 eingeschlafene Vereinsleben im Jahr 1843 wieder, mit dem Zweck der Errichtung von Gedenksteinen, einer jährlichen Versammlung und zur Sammlung und Bewahrung von Erinnerungen und Überlieferungen.
In den Jahren 1834 bis 1864 entstanden mehrere Denkmäler und Marksteine, die das Schlachtfeld als „Freilichtmuseum“ begehbar machten. Am bekanntesten sind wohl die sogenannten Apelsteine, die die Truppenstellungen von 1813 anzeigen, finanziert vom Leipziger Bürger und Schriftsteller Theodor Apel (1811–1867).

Eine Formation der Völkerschlacht mit 2.500 Bleisoldaten wurde neben anderen Erinnerungsstücken vom Kaufmann Hermann Buhrig in einem privat finanzierten Museum von 1905–1911 in der Querstraße 1 am Johannisplatz in Leipzig gezeigt. Der Führer durch das Vaterländische Museum der Völkerschlacht bei Leipzig [UBL Sign.: Rep. VI. 16az³] bezeichnet acht Räume mit Ausstellungsstücken zur Zeit der Befreiungskriege, zur Völkerschlacht und zu Napoleon I. Zu sehen waren Original-Gemälde, Kupferstiche, Medaillen, Autographen, Karikaturen, Zeitungen, Kleidungsstücke, eine Rüstkammer sowie eine Bibliothek mit „Seltenheiten aus der Zeit“.

Nach oben

Die Entstehungsgeschichte des Denkmals

„Das pyramidiale Gebilde mutet uns heute in seiner Monumentalität und Formensprache unverständlich an, da uns der Geist, der sich in ihm manifestiert, fremd geworden ist.“[2]

Peter Hutter, Kunsthistoriker, 1995

Bereits wenige Monate nach dem Sieg über Napoleon sammelten sich die Stimmen für die Errichtung eines Erinnerungsortes. Die erste gedruckte Anmerkung zur Errichtung eines Denkmales ist in der Wanderung nach dem Schlachtfelde von Leipzig im Oktober 1813 von Karl Bertuch (1777–1815; Journalist und Schriftsteller) nachzulesen:

„Dieser Hügel wird in der Geschichte ewig denkwürdig bleiben. Hier hielten am Nachmittag des glorreichen 18ten Octobers die drei verbündeten Monarchen, Alexander, Franz und Friedrich Wilhelm, nebst dem commandirenden Feldmarschall Fürsten Schwarzenberg, und leiteten die Operationen der siegreich vordringenden Heeresmassen. Von dieser Stelle überblickt man, wie ein Panorama, grösstentheils das Schlachtfeld des 18ten und 19ten. Kein Platz ist schicklicher, durch ein würdiges Monument das Andenken dieser grossen Zeit auch hier von Seiten der Deutschen dankbar zu bezeichnen, als dieser Hügel. Hier erhebe sich ein Obelisk, an dem ausser passenden Emblemen, die Namen unserer hohen Befreier, die Namen der Heerführer, welche die verschiedenen Armee-Abtheilungen zum heiligen Kampfe siegreich anführten, eingegraben zu lesen wären!“[3]

Friedrich Arnold Brockhaus verbreitete diese Idee im März 1814 in den von ihm herausgegebenen Deutschen Blättern. Ernst Moritz Arndt folgte im Mai 1814 mit der Flugschrift Ein Wort über die Feier der Leipziger Schlacht. Brockhaus zu dieser Zeit mit Skepsis, die Bemühungen um ein Denkmal betrachtend, dass „man sich aber auf der andern Seite die unberechenbaren Schwierigkeiten eines solchen riesenmäßigen Plans gar nicht verbergen kann“[4] , schreibt bewundernd drei Monate später, dass es keines Aufrufs bedurfte um in allen Teilen Deutschlands Künstler zu Vorschlägen und Entwürfen für ein würdiges und dauerhaftes Siegesdenkmal anzuregen. Etliche Entwürfe mit den unterschiedlichsten typologischen und stilistischen Bezügen entstanden wie Carl Bertuchs Kapelle der Eintracht und der Teutsche Nationaltempel von Friedrich Weinbrenner (1766–1826; Architekt und Oberbaudirektor). Dieser Euphorie wird in den Diskussionen zum Bau eines Denkmales entgegengesetzt, dass die Zeit noch nicht reif dafür ist.

Zur 50-Jahr-Feier am 19. Oktober 1863 wurde der Grundstein für ein Denkmal gelegt, um dem Verlangen nach der dauerhaften symbolischen Repräsentation der bürgerlichen Nationalidee Ausdruck zu verleihen. Mangels Planung und ausreichender Mittel sowie mehrerer kriegerischer Auseinandersetzungen als auch anderer Interessen seit den 1870er Jahren, wurde die Errichtung eines Denkmales zurückgestellt. Angeregt durch die Aufstellung eines Siegesdenkmales auf dem Leipziger Marktplatz im Jahr 1888 versuchten die Architekten Ludwig und Hülßner ein neues Projekt zum Denkmalbau zu starten, der Aufruf an die Bürger brachte allerdings nur eine minimale Spendensumme ein, die weder den Bau noch die Unterhaltskosten decken konnte.
Seine Entstehung endlich verdankt das Völkerschlachtdenkmal dem „bürgerlichen Unmut über die politischen Verhältnisse des Kaiserreiches, aber auch der nationalistischen Großmannssucht der Wilhelminischen Ära.“[5] Mit der Entlassung Bismarcks 1890 entwickelte sich eine starke Opposition gegenüber dem jugendlichen Kaiser Wilhelm II. (1859–1941), deren Konflikt im politischen und im kulturellen Bereich ausgetragen wurde, letzteres wird durch die Errichtung mehrerer Nationaldenkmäler seit dem Tod Wilhelms I. (1797–1888) deutlich. Auf der Suche nach einem Ausdruck für nationale Kunst, bot der Wettbewerb um ein Völkerschlachtdenkmal ein Experimentierfeld für eine völkisch-germanische Architektur.
Der Architekt Clemens Thieme forcierte den Bau eines Denkmales mit der Gründung des Deutschen Patriotenbundes zur Errichtung eines Völkerschlachtdenkmals bei Leipzig (1894–1913), der nach der Denkmalweihe bis 1949 als Deutscher Patriotenbund zur Erhaltung des Völkerschlachtdenkmales firmierte.
Mit hoher Mitgliederzahl und Bündelung von Spendengeldern konnte die Grundsteinlegung am 18. Oktober 1900 erfolgen, nachdem es zwei Ausschreibungen (1895/96) mit unbefriedigenden Ergebnissen gegeben hatte. Die anfänglichen Anforderungen an ein Denkmal „auf einem aufgeschütteten Berg in Höhe von ungefähr 30m“ mit „mehr architektonischem als bildnerischem Figurenschmuck“[6] wurden für die 2. Ausschreibung konkretisiert: Es kann

„nur an die Ausführung eines mächtig in die Höhe strebenden Monumentalbaues in Form eines Thurmes, Obelisken, einer Pyramide oder Säule gedacht werden kann [...] Die Gestalt des Denkmales müßte so gewählt werden, daß es als solches weithin leicht erkenntlich, ohne Anlehnung an Bestehendes, eigenartig die ganze Umgebung beherrscht [...].“[7]

Von einer dritten Ausschreibung wurde abgesehen und der Architekt Bruno Schmitz (1858–1916) 1897 vom Deutschen Patriotenbund mit der Bauausführung betraut. Im gleichen Jahr stellte er einen ausgereifteren Entwurf vor, der sowohl alte Denkmalsideen, stellvertretend dafür die Studie von Weinbrenner aus dem Jahr 1814, als auch prototypische Gestaltungselemente Wilhelminischer Nationaldenkmäler – Bruno Schmitz war bekannt für seine ausgezeichneten Kaiser-Wilhelm-Denkmale im Kyffhäuser, am Deutschen Eck in Koblenz und an der Porta Westfalica. Aber auch ein Entwurf aus der Hauptkonkurrenz von 1896, der nicht prämiert wurde, diente wohl als Inspiration: Ein‘ feste Burg von Paul Pfann (1860–1919), Architekt und Professor an der Technischen Hochschule in München. Während der 15jährigen Bautätigkeit wurde der Entwurf immer wieder v.a. von Clemens Thieme verändert.

Nach oben

Die Denkmal-Weihe

„Vornehmlich gegen zwei einflußreiche Bedenken mußte der Denkmalsgedanke in den ersten Jahren der Tätigkeit des Patriotenbundes verteidigt werden, bevor ihm zur Entfaltung seiner Werbekraft freie Bahn geschaffen war. Die einen hielten ihn für veraltet, empfanden ihn als Anachronismus und prophezeiten ihm eine allgemeine Absage. Die anderen wandten sich von ihm ab, weil sie den volkstümlich gewordenen Ausdruck ‚Völkerschlachtdenkmal‘ auf Vorstellungen bezogen, die ihnen unsympathisch erschienen. Sie rügten in dem ‚Schlachtendenkmal‘ eine tadelnswerte Verherrlichung der ‚Kriegslust‘ oder erblickten in der Ehrung des ‚Völkersieges‘ der Verbündeten eine unzeitgemäße und unpassende Erinnerung an längst überwundene Gegensätze zwischen heute verbundenen Bruderstämmen, ja man sprach von ‚völkerverhetzenden Tendenzen‘.“[8]

Alfred Spitzner, Schuldirektor und 1. Schriftführer des Patriotenbundes, 1913

Am Mittag des 18. Oktober 1913 wurde das Völkerschlachtdenkmal feierlich durch den Kaiser Wilhelm II. und den sächsischen König Friedrich August III. eingeweiht. Weitere Gäste der Feierlichkeiten waren die Prinzen Johann Georg und Ernst Heinrich von Sachsen; Prinz Wilhelm von Schweden; Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand von Österreich-Este; Großfürst Kyrill Wladimirowitsch Romanow; diverse Fürsten und regierende Bürgermeister.
Neben der feierlichen Eröffnung und Festaktivitäten diverser Vereine und Verbindungen gab es spezielle Veranstaltungen und Momente, die die Weihe des Denkmales begleiteten und u.a. in den Leipziger Neuesten Nachrichtenangekündigt und dokumentiert wurden. Zu nennen wären der Eilbotenlauf der Turner in ganz Deutschland, an der Westküste der USA und in Südamerika; einen Universitätsfestzug; die Verleihung des Ehrenbürgerrechts der Stadt Leipzig an den Vorsitzenden des Deutschen Patriotenbundes Clemens Thieme; ein Massenaufflug von Militärbrieftauben als auch die Anwesenheit eines 100-jährigen. Der Deutsche Patriotenbund ließ mehrere Gedenkmedaillen anfertigen und Postkarten drucken, das Postamt benutzte am Tag der Weihe in einer eigens am Denkmal eingerichteten Poststelle einen Jubiläumspoststempel.
Anlässlich des Jubiläums erschienen Monographien, Festschriften und Sondernummern von Zeitungen und Zeitschriften wie die Weiheschrift Deutschlands Denkmal der Völkerschlacht, das Ehrenmal seiner Befreiung und nationalen Wiedergeburt: 1813–1913. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1913; Deutschlands Freiheitsdom, Gedenkblatt zur Weihe des Völkerschlachtdenkmals. Sonderdruck der Leipziger Neuesten Nachrichten vom 18. Oktober 1913; Festzeitung zur Weihe des Völkerschlachtdenkmals bei Leipzig am 18. Oktober 1913. Weitere Höhepunkte dieser Tage waren die Weihe der Russischen Gedächtniskirche am 17. Oktober 1913 durch den Großfürsten Kyrill und die Grundsteinlegung der Deutschen Bücherei am 19. Oktober 1913 durch den sächsischen König.

 

 


 

[1] Naumann, Robert: Vorrede. In: ders. (Hrsg.): Die Völkerschlacht bei Leipzig, nebst Nachrichten von Zeitgenossen und Augenzeugen über dieselbe. Leipzig: Weigel, 1863. S. III–VIII, hier S. III [UBL Sign.: NeueGesch.697-g].
[2] Hutter, Peter: Zur Baugeschichte des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig. In: Keller, Katrin (Hrsg.): Vom Kult zur Kulisse: das Völkerschlachtdenkmal als Gegenstand der Geschichtskultur. Leipzig: Universitätsverlag, 1995. S. 42–61, hier S. 42 [UBL Sign.: NB 8000 K29].
[3] Dritter Brief, Leipzig, 21.10.1813. In: B[ertuch], C[arl]: Wanderung nach dem Schlachtfelde von Leipzig im Oktober 1813. Ein Beitrag zur neuesten Zeitgeschichte. Weimar: Geographisches Institut 1814, S. 15–30, hier S. 22 [UBL Sign.: 54-4-1197].
[4] Brockhaus, Friedrich Arnold: Zur Erklärung des Titelkupfers. In: Deutsche Blätter, Bd. 3 (1814), S. III–IX, hier S. IV [UBL Sign.: Dt.Gesch.25369].
[5] Hutter, S. 45.
[6] Hutter, S. 48.
[7] Hutter, S. 47.
[8] Spitzner, Alfred: Die Entstehungsgeschichte des Völkerschlachtdenkmals. In: Deutschlands Freiheitsdom, Gedenkblatt zur Weihe des Völkerschlachtdenkmals. Sonderdruck der Leipziger Neuesten Nachrichten, 18.10.1913 [UBL Sign.: NL 183A/3/1/2/3/3/4].

Nach oben