Die Ausstellungen „Textkünste” (Leipzig) und „Impressions premières” (Lyon) vermitteln Einblicke in die Frühzeit der europäischen Buchdruckgeschichte. Die Anschauung früher Drucke soll die im digitalen Zeitalter nervös gewordene Aufmerksamkeit für Texte ästhetisch wie historisch fokussieren und damit das Thema exponieren.

Die Bestände der Universitätsbibliothek Leipzig und der Bibliothèque Municipale de Lyon, aus denen die Exponate stammen, sind zwei bedeutende europäische Sammlungsorte früher Drucke. Sie haben über die Jahrhunderte eigene Sammlungsschwerpunkte ausgebildet. Und doch vermögen beide gemeinsam und einander ergänzend eine durchaus repräsentative Bandbreite an Phänomenen zu vermitteln, die uns auf die Spur der Druckseitengestaltung führen.

Im Zeitraum vom 30. September 2016 bis 29. Januar 2017 fanden in Leipzig und Lyon parallel zwei Ausstellungen zum Thema „Textkünste” (Leipzig) und „Impressions premières” (Lyon) statt, welche Einblicke in die Frühzeit der europäischen Buchdruckgeschichte sollten. Die Anschauung früher Drucke sollte dabei die im digitalen Zeitalter nervös gewordene Aufmerksamkeit für Texte ästhetisch wie historisch fokussieren und damit das Thema exponieren.

Die Bestände der Universitätsbibliothek Leipzig und der Bibliothèque Municipale de Lyon, aus denen die Exponate stammen, sind zwei bedeutende europäische Sammlungsorte früher Drucke. Sie haben über die Jahrhunderte eigene Sammlungsschwerpunkte ausgebildet. Und doch vermögen beide gemeinsam und einander ergänzend eine durchaus repräsentative Bandbreite an Phänomenen zu vermitteln, die uns auf die Spur der Druckseitengestaltung führen.

Die beiden Ausstellungen präsentierten Buchobjekte aus der deutschen und der französischen Bibliothek parallel und im Zusammenhang. Ein Katalog vereint ausgewählte Exponate aus Leipzig und Lyon und ist in einer inhaltlich identischen deutschen und französischen Ausgabe erhältlich.

Rückblick aus dem digitalen Zeitalter

Auf Bildschirmmedien kennen wir inzwischen viele Formen der konsekutiven Verknüpfung von (Bildern und) Texten, die deren Verschiebung bzw. Fortsetzung nach links oder rechts, nach oben oder unten erlauben. Diese ästhetischen Anmutungen ähneln Schriftrollen. Was einmal Umblättern war, ist im Bereich digitaler Texte durch Befehle ersetzt, die sowohl Weiterlesen wie Weiterspringen erlauben. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen; neue Geräte werden neue Lesegewohnheiten ausbilden, neue Programme noch ungeahnte Darstellungsmöglichkeiten eröffnen.

Ein anderes Merkmal digital darstellbarer Texte sind Hyperlinks bzw. Verweisungen, die erlauben, auf derselben (Bildschirm-) Fläche neue Texte oder Bilder wie in einem Fenster sichtbar zu machen. Texte erscheinen dann wie hintereinander- oder übereinandergestapelt. Nicht nur die Bewegung von einer Textstelle zu anderen, sondern die Bewegung von einem Buch zum anderen kann auf dem Bildschirm selbst stattfinden. Digitale Textgestaltung hebt so die Formatierungen auf, an die wir uns in der Welt gedruckter Bücher gewöhnt haben. 

Die Druckseite ist aber schwer zu ersetzen, weil sie durch kulturelle Lesepraktiken der Rechtmäßigkeitsfeststellung und der Wahrheitspolitik unterstützt wird. Darüber hinaus regelt sie den Umgang mit Literatur (im weitesten Sinn) und gilt als Muster der Sinn- und Bedeutungsstiftung.

Am besten kann das Wort „Lesen” selbst vermitteln, welch hohe Bedeutung die Textgestaltung besitzt und welchen Gewinn wir aus ihrer genaueren Kenntnis ziehen können. Eben weil man so gut wie alles „lesen” kann, sollte das, was zum Typus dieser Tätigkeit wurde, nämlich das Textlesen, gut verstanden sein. Das Ausstellungs- und Katalogprojekt geht davon aus, dass Textgestaltung niemals ohne Rücksicht auf das Lesen geschah, in jedem Fall aber eine Wirkung für das Lesen besaß. Wir sehen im Rückblick auf die Frühzeit des Drucks, dass es überall schwer fiel, Texte in lesbare Formate zu bringen.

Die Epoche 1455–1535

Die Druckseite erschien als gestaltete Konvention keineswegs auf einen Schlag. Vielmehr haben sich die Regeln für die Seitengestaltung in den ersten 70 Jahren des Drucks mit beweglichen Lettern erst langsam herausgebildet und bewährt. Den frühen Druckerzeugnissen ist heute noch anzusehen, dass Formen ausprobiert wurden und vieles ein Experiment blieb. Die Probe auf gute Lesbarkeit haben die Drucker oft und immer wieder neu gemacht. Dabei zeigt die Tatsache, dass es gedruckte Seitenzahlen erst im 16. Jahrhundert gibt, an, dass die Gestaltung der Druckseite lange Zeit unsicher war. Die Idee der „Seite” mit eigener gestalterischer Identität hat sich erst langsam verfestigt – was zuletzt auch erklären mag, warum sie sich heute nur langsam auflöst.

Was die „Erfindung der Druckseite” genannt werden kann, ist tatsächlich ein Bündel von Prozeduren, die grundlegend neu ausgerichtet wurden, um für gedruckte Texte eine Lesbarkeit überhaupt erst möglich zu machen. Zwischen 1455 (als Gutenberg die ersten Drucke herstellte) und 1535 (als Luthers Schriften in Europa zirkulierten) liegt eine Epoche, der man nachträglich attestieren kann, sie habe an der Formatierung der Druckseite hart gearbeitet. 

Rückblick aus dem digitalen Zeitalter

Auf Bildschirmmedien kennen wir inzwischen viele Formen der konsekutiven Verknüpfung von (Bildern und) Texten, die deren Verschiebung bzw. Fortsetzung nach links oder rechts, nach oben oder unten erlauben. Diese ästhetischen Anmutungen ähneln Schriftrollen. Was einmal Umblättern war, ist im Bereich digitaler Texte durch Befehle ersetzt, die sowohl Weiterlesen wie Weiterspringen erlauben. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen; neue Geräte werden neue Lesegewohnheiten ausbilden, neue Programme noch ungeahnte Darstellungsmöglichkeiten eröffnen.

Ein anderes Merkmal digital darstellbarer Texte sind Hyperlinks bzw. Verweisungen, die erlauben, auf derselben (Bildschirm-) Fläche neue Texte oder Bilder wie in einem Fenster sichtbar zu machen. Texte erscheinen dann wie hintereinander- oder übereinandergestapelt. Nicht nur die Bewegung von einer Textstelle zu anderen, sondern die Bewegung von einem Buch zum anderen kann auf dem Bildschirm selbst stattfinden. Digitale Textgestaltung hebt so die Formatierungen auf, an die wir uns in der Welt gedruckter Bücher gewöhnt haben. 

Die Druckseite ist aber schwer zu ersetzen, weil sie durch kulturelle Lesepraktiken der Rechtmäßigkeitsfeststellung und der Wahrheitspolitik unterstützt wird. Darüber hinaus regelt sie den Umgang mit Literatur (im weitesten Sinn) und gilt als Muster der Sinn- und Bedeutungsstiftung.

Am besten kann das Wort „Lesen” selbst vermitteln, welch hohe Bedeutung die Textgestaltung besitzt und welchen Gewinn wir aus ihrer genaueren Kenntnis ziehen können. Eben weil man so gut wie alles „lesen” kann, sollte das, was zum Typus dieser Tätigkeit wurde, nämlich das Textlesen, gut verstanden sein. Das Ausstellungs- und Katalogprojekt geht davon aus, dass Textgestaltung niemals ohne Rücksicht auf das Lesen geschah, in jedem Fall aber eine Wirkung für das Lesen besaß. Wir sehen im Rückblick auf die Frühzeit des Drucks, dass es überall schwer fiel, Texte in lesbare Formate zu bringen.

Die Epoche 1455–1535

Die Druckseite erschien als gestaltete Konvention keineswegs auf einen Schlag. Vielmehr haben sich die Regeln für die Seitengestaltung in den ersten 70 Jahren des Drucks mit beweglichen Lettern erst langsam herausgebildet und bewährt. Den frühen Druckerzeugnissen ist heute noch anzusehen, dass Formen ausprobiert wurden und vieles ein Experiment blieb. Die Probe auf gute Lesbarkeit haben die Drucker oft und immer wieder neu gemacht. Dabei zeigt die Tatsache, dass es gedruckte Seitenzahlen erst im 16. Jahrhundert gibt, an, dass die Gestaltung der Druckseite lange Zeit unsicher war. Die Idee der „Seite” mit eigener gestalterischer Identität hat sich erst langsam verfestigt – was zuletzt auch erklären mag, warum sie sich heute nur langsam auflöst.

Was die „Erfindung der Druckseite” genannt werden kann, ist tatsächlich ein Bündel von Prozeduren, die grundlegend neu ausgerichtet wurden, um für gedruckte Texte eine Lesbarkeit überhaupt erst möglich zu machen. Zwischen 1455 (als Gutenberg die ersten Drucke herstellte) und 1535 (als Luthers Schriften in Europa zirkulierten) liegt eine Epoche, der man nachträglich attestieren kann, sie habe an der Formatierung der Druckseite hart gearbeitet.